Hyperaktivität und Aufmerksamkeit ältere Frühchen

Moin in die Runde,

ich wollte mal fragen ob hier noch Frühchenmamas von älteren Frühchen sind die im Schulalter sind?

Wir merken bei unserem Lütt immer mehr dass die Unreife im Gehirn doch zu mehr Problemen führt als bisher gehofft. Vom Stoff her scheint er gut mitzukommen, allerdingst fällt er immer häufiger durch seine Hyperaktivität auf. Es fällt ihm sehr schwer im Unterricht zu sitzen und vor allem, wenn die Klasse lebhaft ist und "Emotionen" im Spiel sind wie zb letzter Schultag vor den Ferien und in der Klasse etwas geblödelt wird dreh er dann über. Er kann auch nicht still stehen und warten, zb in der Kassenschlange muss er dauernd Dinge auf dem Band umsortieren und knatscht dann auch gerne mal das Obst oder ditscht die Sahnepackung an dass dann Sauerei ist. Ich persönlich bin ja inzwischen Meister im tief durchatmen aber er wird fürchte ich bald mit seinem Verhalten mehr anecken. Es ist wohl laut SPZ kein "echtes ADHS" mit Dopaminmangel etc, aber Hyperaktivität auf Grund der extremen Unreife bei Geburt.

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Reicht es das Sportlevel zu erhöhen oder ihm quasi "Übersprungshandlungen" nahe zu bringen wie "dann wippe eben auf den Fusspitzen wenn du das Gefühl hast du kannst nicht stillstehen etc?" Oder doch einfach öfter klare Ansagen mit Verboten? Ich bin mir da sehr unsicher weil wenn es etwas ist was er wirklich nicht steuern kann wären ja "Anschisse" das Falsche. Das SPZ ist mir gerade keine große Hilfe sie sehen vieles als Handycap das Frühchen eben haben können und mit denen man eben mehr oder weniger leben muss. Aber ich werde wohl mal wieder hin müssen.

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In welcher Woche kam Dein Kind auf die Welt? In meiner Familie gibt es zwei Frühchen, meine Enkelin, sie wird Anfang Dezember 15 Jahre alt und den Sohn meiner Patennichte, 20 Jahre alt, beide kamen Ende der 29. Woche auf die Welt und haben keinerlei Auffälligkeiten gehabt, wie Du sie beschreibst.
Dazu hat meine Tochter noch Kontakt zur Mutter der "Brutkastennachbarn" meiner Enkelin, Zwillingsjungs, ebenfalls in der 29. Woche geboren. Beide Jungs sind im Gymi und sogar recht ruhige Zeitgenossen geworden.
Ich habe mal gelesen, dass Frühchen wohl anfälliger sind auf ADHS. Vielleicht solltet ihr ihn einfach mal Spezialisten hierfür vorstellen, ob das SPz hier ausreicht, weiß ich nicht, wir waren alle nie bei einem - war einfach nicht nötig.
Schau mal, vielleicht ist eine Ambulanz in eurer Nähe?
https://www.zentrales-adhs-netz.de/spezialambulanzen/

Was Du im Verhalten beschreibst, hätte auf den Bruder eines meiner Patenkinder zugetroffen. Bei ihm wurde dann in unserer Kinderpsychiatrie ADHS festgestellt, er war dort länger stationär, auch die Eltern wurden entsprechend eingebunden usw. (ja auch mit dieser Diagnose muss es klare Ansagen und vor allem klare Strukturen geben) und es wurde vieles im Umgang leichter. Die Mutter meinte auch recht lange, sie könnte Probleme mit "tief durchatmen" und viel Sport für den Jungen ausgleichen, ging absolut nicht, er war ja selber todunglücklich, hatte keine Freunde, eckte überall an. Heute ist er auch schon über 20, hat einen guten Beruf und ist ein absolut ausgeglichener sympathischer junger Mann geworden. Frühchen war er keines.
LG Moni

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Hallo,

Vielen Dank für deine Antwort. Er ist 24+2 geboren und im Moment will weder der Kinderarzt noch die Schule dass er auf ADHS getestet wird da er auf Verhaltenshilfen und Ergo ihrer Meinung nach 'zu gut' anspricht. Er ist auch erst seit wenigen Wochen in der Schule und wir hatten am Schluss Pech im Kindergarten da sie im letzten Jahr da alles einfach nur laufen ließen, er macht in der Schule mit 'strafferen Zügeln' da sichtbare Fortschritte. Sie wollen jetzt erst abwarten bis zum ersten Zeugnis wie er sich nach der Eingewöhnungsphase verhält.

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Okay, dann ist er ja auch noch recht jung. Der Junge, von dem ich erzählte, war mit 12 ungefähr in Behandlung, so genau weiß ich das auch nicht mehr. Aber die erste Regel war, als er wieder heimkam, geregelter Tagesplan und auch klare Regeln. Vorher war es leider so, dass Papa was verboten/angeordnet hat und Mama ließ es entnervt wieder schleifen. Gemäß den Ärzten ein Unding. Da er ab und zu auch bei mir war mit seiner Schwester, erklärten sie mir das dann auch. Das mit den strafferen Zügeln passt, die brauchte er auch.
Hätte evtl. nur noch die Idee, dass Du Dir im Netz evtl. noch von betroffenen Eltern ein paar Tipps geben lassen kannst. Es haben ja alle mal "angefangen".
https://www.lifeline.de/krankheiten/adhs/eltern-ratgeber/
Hier sind weiter unten auch weitere Links.
LG

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Ich habe dir eine PN geschickt.

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Hallo,

Wir standen jetzt auch vor der Frage ob wir unsere Tochter "regelhaft" im nächsten Schuljahr, oder nach ihrem normalen Geburtstag im übernächsten Jahr einschulen lassen.
Sie wurde in 23+5 geboren und ich finde, man merkt ihr das schon an. Ihre Antennen sind ständig auf Empfang, alles registriert sie ungefiltert. Deshalb habe ich das Gefühl es tut ihr gut, wenn wenig los ist, und der Tag nicht vollgepackt ist. Mittlerweile kann sie auch mal spontane chaotische abenteuertage ertragen und immer öfters macht es ihr Spaß. Ihre Regeneration braucht sie dann trotzdem.
Unglaublich viel Bewegung ist auch bei ihr drin. Erst seit etwa einem Jahr hat sie die Geduld eine pixi-buch geschichte zu Ende zu hören ohne gleichzeitig von der couch rüber zum Sessel und quer über den Tisch zu hüpfen.
Wenn sie im Trubel ist verschließt sie sich nach außen und beobachtet und merkt sich alles, reagiert also etwas anders als dein kleiner. Allerdings muss dann zu hause alles raus. In form von laufen, klettern, springen, viiiel reden und alles nachspielen.
Wir haben uns an einer montessori-schule beworben, weil wir (und die amtsärztin) finden, dass sie kognitiv schon so weit ist. Sie schreibt, liest und rechnet. Aber sozio-emotional ist sie nicht auf dem Stand einer 5 jährigen, für eine regelschule bräuchte sie stand jetzt, eine afi, um den Fokus auf den Unterricht halten zu können.
Das Konzept der normalen Schule ist halt nicht wirklich darauf ausgelegt etwas anders zu sein.
Mit ADHS hab ich mich noch nicht tief eingelesen. Eine wahrnehmungsstörung vermute ich bei unserer tochter aber auch. Ich hoffe darauf, dass mir ihre Therapeuten bescheid geben, wenn es behandlungsbedürftig wird. Momentan meine ich aber eine Beruhigung und eine Stabilisierung bei ihr selbst zu sehen.
Ja und das Thema wegatmen... kann ich auch sehr gut. Als von leni die Frage mit der peg-sonde erschienen ist, hab ich mich gefragt, ob ich nicht vielleicht zu viel wegatme. Bei der nächsten ergo, hab ich gleich mal losgelegt und nein, das Verhalten von uns beim Essen ist nicht normal, wir hätten schon von Anfang an mehr um hilfe bitten sollen und uns nicht so abspeisen lassen sollen. Ja. Hm. Also gut, es wird jetzt daran gearbeitet.
Fazit für mich, wieder mehr dem Bauch vertrauen und nur noch die Hälfte wegatmen.
Was ich noch sagen will ist, dass deine Einträge mir immer wieder sehr helfen, und da wollte ich mal danke sagen, weil ich auch schon einige Tipps von dir "geklaut" habe. Danke 😊

Viele Grüße an dich und den lütt

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Vielen Dank für Deine ehrlichen und aufmunternten Worte und das Kompliment :-) Das ich zurückgeben kann, ich finde Deine Beiträge auch oft lehrreich und und auch befreiend, ich fühle mich oft einfach verstanden und nicht wie oft als das Alien wie im privaten Umfeld. Ich hab gerade ein ziemliches Novemberdown und fühle mich ausgebrannt, vielleicht hätte ich echt nach der Entlassung irgendwann mal ne Kur beantragen müssen. Gerade jetzt auch wieder die Frage wie er in der Schule zurecht kommt, das Hibbeln auf den nächsten Termin mit der Lehrerin ob die "Maßnahmen" greifen die wir mit ihr abmachen, ich denk mit manchmal ich bin zu alt für den Scheiß ;-)
Wobei die Lehrerin zum Glück noch mehr "vom alten Schlag" ist und viel mehr Grenzen setzt als die Erzieher im Kindergarten und er wird gerade auch zu Hause echt viel leichter handelbar :-) Ich denke der Weg ist gut ich muss mich nur etwas eingrooven wieder.

Aber irgendwie redet mir fast jeder in meinem Umfeld ein dass die Probleme mit ihm hausgemacht oder gar eingebildet sind, egal ob Kollegen, Chefs, Verwandte, viele sehen den körperlich gesunden und wissbegierigen Kerl und keiner sieht seine Probleme als "Frühchenprobleme". Ständig heißt es mit der Förderung würden wir zuviel Tamtam machen, das sei alles unnötiger Stress für mich ich wäre selbst schuld dass wir soviel Rennerei haben, andere Kinder "schaffen es auch ohne zweimal die Woche Sport still zu sitzen" ... wir sollten es einfach vergessen dass er ein Frühchen wäre und dass das SPZ eben diese Defizite festgestellt hätte und sollten ihn viel "härter" anfassen, das geht dann schon stark Richtung schwarze Pädagogik. und dann würde er schon lernen sich zu beherrschen. Das SPZ steht voll hinter uns und bestätigt uns immer wieder dass man deutlich merke wie viel wir tun und dass man gerade bei Frühchen noch mehr als bei Reifgeborenen die "sozialer Status der Eltern- Komponente" in der Entwicklung merke.
Ich hab es echt manchmal leid mich immer wieder erklären zu müssen warum ich der Meinung bin er könne die Hausaufgaben nicht mit 25 anderne Kinder im Hort machen und warum der Sport so wichtig für ihn ist dass wir jeden Nachmittag zum Auspowern rausgehen etc etc.

Danke schonmal fürs Zuhören, muss jetzt schnell los wir haben noch Termine heute ;-)

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Ich wünsche Euch auch alles Gute auf Eurem Weg mit dem Essen!

Ich wollte nur sagen dass ich inzwischen der Meinung bin dass wir alles auch nur Menschen sind und nur eine begrenzte Anzahl an Baustellen sowohl von uns aus, als auch zum Wohle der Kinder angehen können. Welches Problem jetzt wichtiger ist und welches hintenangestellt werden kann, welches vielleicht aber auch die Ursache für ein anderes ist, ist schwer zu sagen. Macht Euch da keine Vorwürfe Ihr hättet zu lange gewartet, Ihr habt vermutlich genau das getan was ihr und Euer Kind leisten konnte.Bzw habt ihr ja einiges unternommen und es war nur nicht das richtige. Manchmal sind aber auch die Erwartungen von uns Eltern zu groß und die Ärzte sehen ein Frühchen eben als das was es ist, ein Frühchen, und für die SSW macht es Euer Kind eben doch "ganz gut". Oder ihr seid an einen Kinderarzt geraten der eben überhaupt keine Ahnung davon hat was "Frühchen" bedeuten kann.

Da gehen ja gerade die "Bilder" die man von Frühchen hat immer weiter auseinander!

In der Öffentlichkeit entsteht finde ich durch rührende Erfolgsgeschichten (in denen aber meist nur die halbe Geschichte steht) dass Frühchen heute quasi normale Kinder sind, in der Wissenschaft (Siehe https://www.welt.de/print-welt/article225877/Spaetfolgen-der-Fruehgeburt-unterschaetzt.html) wird gesagt dass man die Folgen bisher eher unterschätzt hat und - auch dadurch dass eben viele sehr kleine überleben - auch sehr viel mehr Spätfolgen zu beobachten sind.
Und so ist man eben auch total davon abhängig zu welcher Fraktion der Arzt gehört dem man vertraut, denk er Ihr seid noch gut dran und macht deswegen nix oder denkt er das sei alles hausgemacht (du meintest irgendwann du hattest das Gefühl er meinte Du seist das Problem).

auf jeden Fall alles Gute Euch, halt die Ohren steif und berichte doch mal was beim Essen bei Euch noch rauskommt.

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hypeaktivität hat nichts mit Frühgeburt zu tun, es kommt entweder von der Ernährung oder ist genetisch bedingt, adhs ist eine Erbkrankheit. mit vernüftiger Ernährung, kalren Regeln und guter Struktur bekommt man es aber in den Griff und für Unreife im gehirn wäre Kinesiologie gut, zahlt die Krankenkasse

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Es gibt da eine Vielzahl an Berichten:

Frühgeborene - Zu früh für das Gehirn?
Immer mehr Frühchen überleben heute - doch die Probleme in der Entwicklung ihres Gehirns zeigen sich erst neuerdings.
Exklusive Übersetzung aus "nature", © Spektrum.de
Der Artikel erschien unter dem Titel "Neuroscience: The brain, interrupted" in Nature 518, S. 24–26, 2015

Frühgeborene haben erhöhtes ADHS-Risiko
Das hat eine schwedische Register-Studie mit Daten von insgesamt 1.180.616 Kindern ergeben, die zwischen 1987 and 2000 geboren wurden ...
Den vollständigen Bericht finden Sie auf der Webseite der Ärzte Zeitung


Vögelchen flieg' - Wie es Frühchen später geht
Von Thekla Jahn, Deutschlandfunk
Zitat aus dem Artikel:
"... Jedes elfte Kind in Deutschland kommt zu früh zur Welt. Mittlerweile überleben selbst unreifste Frühchen. Sie haben zum Teil nur etwas mehr als die Hälfte der Zeit im Mutterleib verbracht - 22 Wochen, hier liegt heute die biologische Grenze. Aber ist lebensfähig auch gleichbedeutend mit Lebensqualität? ..."
zum Deutschlandfunk (Beitrag zum Anhören und Ausdrucken)

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Wenn jede Woche zählt"
Was wird aus Kindern, die viel zu früh geboren wurden? Mediziner und Psychologen versuchen herauszufinden, wie man ihre Entwicklung am besten fördern kann. ...
Ein Bericht von Sonja Kastilan

5. RLP-Symposium "Kind im Mittelpunkt"
Prof. Wolke stellt neueste Studienergebnisse vor
Erkenntnisse aus der EPICure-Studie und der Bayerische Entwicklungsstudie - Langzeituntersuchungen an ehemaligen Frühgeborenen bis zum Alter von 26 Jahren

Entwicklung oder Umgebung - Autismus unter Frühchen auffällig erhöht
Von Thekla Jahn, Deutschlandfunk
Zitat aus dem Artikel:
"... Über 60.000 mal im Jahr wird in Deutschland ein Kind zu früh geboren. Was bedeutet ein derart früher Start ins Leben? Eine der interessantesten Studien kommt aus England - die Epicure-Studie, die die Entwicklung extrem frühgeborener Kinder bis zum Alter von elf Jahren untersucht hat. Dabei stellte sich heraus, dass diese ehemaligen Frühchen besonders häufig unter Autismus leiden.