Erziehungsstreit

Hallo!
Ich bin gerade mit meinem Mann in einer Erziehungsfrage heftig aneinandergeraten. Ich verstehe seine Auffassung absolut nicht. Unsere Tochter ist 9, 3. Klasse, altersgemäß entwickelt. Am letzten Schultag vor den Ferien sind zwischen Schule und Hort zwei Stunden zu überbrücken. Mit der Mutter ihrer Freundin habe ich überlegt, dass die beiden Mädchen in der Zwischenzeit ein Eis essen gehen könnten, u.a. um das Zeugnis zu feiern. Die Eisdiele ist keine 10 Minuten fußläufig von der Schule entfernt und befindet sich in einem belebten Einkaufszentrum. Beide Kinder sind den Weg mit Erwachsenen schon 100 mal gelaufen, kennen das Einkaufszentrum von regelmäßigen Einkaufstouren in und auswendig und haben beide eine Smartwatch. Mein Mann findet das Unterfangen zu riskant. Wenn etwas passiert, können wir nicht eingreifen. Was, wenn die Mädchen sich verlieren oder streiten? Auf meinen Einwand, dass unsere Tochter vielleicht mal etwas Selbständigkeit lernen sollte, meinte er, da müsse man sie langsam heranführen und nicht gleich 2 Stunden anfangen, vielleicht erstmal 15 Minuten oder mit einem Erwachsenen im Background, der im Notfall schnell zur Stelle wäre. Ich weiß echt nicht, was ich davon halten soll. Ich bin da völlig platt. Wie seht ihr das? Sie laufen auch vom ersten Tag der ersten Klasse, also seit fast drei Jahren, allein die Viertelstunde von der Schule zum Hort. Es ist also nicht so, dass unsere Tochter noch nie ohne Aufsicht unterwegs gewesen wäre. Ich finde den Weg zum Hort, der durch einen eher abgelegenen Park führt, viel gefährlicher als ein Einkaufszentrum mit vielen Menschen.

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Sorry, solche Wege gehen in der Schweiz Kindergartenkinder, und die sind fünf oder sechs. Wenn man es ihnen nicht zutraut und ihnen nicht die Möglichkeit gibt, sich zu bewähren, können sie es nie.

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Hey, danke für deine Antwort! Ich glaube, es geht gar nicht so sehr um den Weg, sondern um den Aufenthalt dort. Aber auch das verstehe ich nicht. Die würden da sitzen und quatschen. Die beiden sind keine, die Blödsinn machen würden.

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Ja sorry da verstehe ich deinen Mann echt nicht.
Wenn die Kinder eh schon so einen Weg zur Schule laufen...

Meine Tochter und Freundinnen laufen teilweise mittags alleine nach Hause, zu Freunden oder sind im Ort unterwegs (auch 9 Jahre) und die haben noch nicht mal Handys oder Smartwatch!

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Hallo!
Vielen Dank für deine Antwort! Sie läuft auch Strecken allein, bzw. mit Freunden, aber bisher war es immer mit einem bestimmten Ziel, also von A nach B.
Das Neue wäre jetzt, sich sozusagen alleine irgendwo für längere Zeit aufzuhalten.

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Bin da eher auf der Seite deines Mannes, bei mir würden meine Kinder aber auch nicht in der ersten Klasse 15 min alleine ohne Aufsicht wohin laufen.. wenn das bei euch aber eh schon normal ist versteh ich deinen Mann jetzt nicht ganz. Vllt findet ihr ja doch ne Lösung die für beide passt. LG

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Vielen Dank für deine Antwort! Mit dem Hort klappt es ganz gut, das geht auch gar nicht anders. Wir haben jetzt jedenfalls für unser Kind das Betreuungsproblem gelöst, indem sie mit einem anderen Kind nach Schulschluss nach Hause geht. Aber das Experiment "alleine Losziehen" ist erstmal vom Tisch. 🤷🏻‍♀️

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Die Gedanken deines Mannes dürften doch nicht neu für dich sein....früher klebte er auf dem Spielplatz an ihrer Seite, lässt sie nie aus den Augen...vielleicht war er pfiffig und hat das gut verpackt...aber es muß schon vorher Anzeichen für diese Art von Kontrolle gegeben haben.

Mein Mann ist auch so, echt nervig.....ich halte ihn da für "paranoid" und pfeife im Sinne des Kindes auf seine Gedanken. Prio hat, das sich das Kind vernünftig und frei von seiner (!) Angst entwickeln kann. Ja, ich agiere da auch gegen ihn und hinter seinem Rücken. Unsere Tochter nimmt ihn schon länger nicht mehr ernst, sie hat ihn schon als Kleinkind wütend weggeschubst...wenn er ihr mal wieder klar machen wollte, wo seine überängstlichen Grenzen sind.

Mein Vater war auch so überängstlich, ich konnte ihn nie ernst nehmen und bin immer noch stinksauer, das er mich anscheinend für ein lebensunfähiges Ding gehalten hat. So lieb er auch war, aber mit über 30 möchte man wirklich nicht mehr hören, das man doch an der Straße aufpassen soll.

Mit einem Erwachsenen im Background bewegen sich Kindergartenkinder das erste Mal zum Bäcker oder Eisladen....aber garantiert nicht angehende 4. Klässler. Laß dir da nichts einreden und steh hinter deiner Tochter.

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Hey, vielen Dank für deine Antwort! Da bin ich ja froh, dass ich nicht die Einzige bin. 😅 Doch, dass er ängstlicher ist, habe ich schon gemerkt, als er mich, frisch ein Paar, mit 26 Jahren um 20.00 Uhr von einer Veranstaltung abholte, da es für eine Frau ja gefährlich sei, im Dunkeln alleine unterwegs zu sein. Ich habe ihm aber recht schnell klargemacht, dass ich auf mich selbst aufpassen kann und seit ich 16 bin alleine mit Nachtbus usw. durch die Stadt geistere.

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Es nervt und ist wirklich ätzend.

Du konntest dich damals selber "freischaufeln", ihm deine Grenzen klar aufzeigen....eure Tochter braucht da jetzt deine Unterstützung....sie braucht dich jetzt als Rückenstärkung.

Ich würde mich lieber mit meinem Mann zusammen über die immer größer werdende Eigenständigkeit unserer Tochter freuen, anstatt für sie den Weg da freiräumen zu müssen. Sehr schade und echt anstrengend.

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Kommt drauf an, was für eine Gegend das ist. Groß oder Kleinstadt? Erfahrungsgemäß ist es so, dass je mehr Menschen sich irgendwo tummeln, desto weniger eingegriffen wird, wenn etwas passiert. Der "Stand-by-Effekt". Jeder sagt sich, ach da wird schon jemand helfen, da sind doch so viele Leute unterwegs.
Ich verstehe deinen Mann gut.
Meine Mutter war immer so überängstlich, was mich tierisch nervte, aber sie hatte ihre Gründe. Heute verstehe ich sie. Es passiert ja auch wirklich allerhand.

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Hallo,

ich klinke ich ein und würde die Kinder auch alleine Eisessen gehen lassen.
Mit Smartwatch sowieso.

Wir wohnen ländlicher, unser jüngster ging mit 6 schon alleine sonntag morgens Brötchen holen. Eis essen darf er nach der Schule auch alleine - sofern vorher zuhause angekündigt.

Als bei uns im Ort vor einiger Zeit ein schwerer Verkehrsunfall mit einem 8jährigen war, war ich auch besorgter um die Kinder. Aber ich kann sie nicht ständig begleiten oder gar anbinden. Man kann nie alles verhindern. Sondern sie gut auf Gefahren hinweisen und auf sie vertrauen.
Vielleicht sollte Dein Mann das mal verinnerlichen. Kinder brauchen Wurzeln UND Flügel.

LG shealove

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"Kinder brauchen Wurzeln UND Flügel."

Toller Satz! Den merke ich mir.

Und Unfälle passieren in jedem Alter. Ich bringe meinen Kindern bei, dass sie mit anderen Verkehrsteilnehmern Augenkontakt suchen - auch bei grüner Ampel oder Zebrastreifen. Damit sind dann schon 98% der Risikoquellen erledigt.

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In dem Alter müssen die Kinder unbedingt allein erste Wege bewältigen könne und dürfen. Fürs Zeugnis-Eis ist es wohl je nach Bundesland schon zu spät, dann aber neue Herausforderungen finden. Wie weit ist der Bäcker oder nächste Laden. 3-4 mal mit hinfahren. Liste schreiben, Geld mitgeben. Die ersten male mir reingehen, später vor dem Laden stehen bleiben oder an der nächsten Ecke. Dann allein unterwegs sein lassen. Langsam loslassen. Das darf dann auch Job des ängstlichen Elternteils sein. Ansage an das Kind: "Du fährst zum Bäcker, kaufst ein und kommst zurück, ich bin einfach hinter dir." So muss sich das Kind allein orientieren und alles bewältigen. Kind + Angstelternteil können aber sicher sein und mit dieser Sicherheit, die Herausforderung meistern.

Übrigens lasse ich noch heute immer wieder meine Kinder vor mir fahren und mir den Weg zeigen. Ich schaue dann ganz genau hin, ob vor einer Kreuzung geschaut, der Arm rausgestreckt wird etc. Das jüngere Kind macht es gut beim größeren (fast 16) schleifen sich Nachlässigkeiten ein, die sich bis zur ersten Fahrstunde zumindest in Erinnerung gerufen werden dürfen. Im Ganzen bin ich zuversichtlich, dass sicher sind und sicher bleiben. Aber dazu gehörte eben auch, dass den Kindern nach und nach altersgerechte Herausforderungen zugetraut wurden.

Bearbeitet von Yggd
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Liebe TE,

deinen Mann hätte ich wohl auf den Pott gesetzt. Dein Mann scheint wohl nicht viel mitzubekommen, dass deine Tochter bereits seit der ersten Tag alleine zum Hort geht. Mach deinen Mann klar, dass das zum Selbständig werden gehört und gut ist. Da gibt es nämlich nichts zum Diskutieren.

LG Hinzwife