Lieber ohne Mama

Hallo zusammen,

ich weiß nicht, ob die Frage zu Familienleben oder doch hierher gehört.

Mein Sohn ist ein richtiges Papakind. Was im Großen und Ganzen nicht stört. Allerdings wird es in den letzten Wochen sehr extrem.

Wenn Papa da ist, bin ich komplett abgeschrieben. Papa soll trösten, Papa soll lesen, Papa soll schmusen, Papa dies Papa das. Ich darf ihm keine Schuhe anziehen, ich darf ihm nicht helfen. Immer nur der Papa. Es kommt sogar so weit, dass er mich sogar von sich weg schubst.

Wenn er morgens zu uns ins Bett kommt, sagt er manchmal sogar "tschüß Mama" oä.

Mein Mann denkt, unser Sohn spürt, dass Veränderung ins Haus steht und er deswegen so ablehnend reagiert (ich bin in der 12. Woche schwanger). Ich glaube nicht so recht daran.

Ich bin diejenige, die konsequenter ist und die sich nicht so leicht von dem Charme unseres Sohnes um den Finger wickeln lässt. Ich bin diejenige, die Regeln aufstellt und auch Grenzen spüren lässt.
Meine Theorie ist, dass er sich deswegen von mir abwendet, weil er bei Papa leichtes Spiel hat und Mama nicht nach seiner Pfeife tanzt.

Mein Mann sieht das natürlich komplett anders. Er sagt, er ist genauso konsequent und wir ziehen 100% am selben Strang (ich sehe es anders -aber davon will er nichts hören und nichts wissen).

ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll. Auf einer Seite ist es schon ein wenig verletzend, auf der andern Seite weiß ich natürlich, dass ich das nicht persönlich nehmen darf.

Hat jemand ähnlice Erfahrungen und kann mir sagen, wie man am besten damit umgeht?

Danke und Grüße

Sakirafer

1

Der komplette Text hätte im gleichen Wortlaut von mir sein können! Bei uns ist es haargenau so. Der einzige Unterschied ist, dass unser Baby schon acht Monate alt ist.

Solange mein Mann nicht da ist, ist alles in bester Ordnung. Wir spielen, spaßen, streiten, schimpfen, weinen, schmusen, toben und lachen miteinander. Eben ein ganz normaler Kleinkindalltag. Doch SOBALD Papa die Tür aufmacht, bin ich abgeschrieben. Es geht nur Papa hier, Papa da #augen.

Wie ich damit umgehe? Ich lasse ihn seinen Willen. Soll sich Papa eben kümmern. Es kommen bestimmt auch wieder andere Zeiten :-).

Liebe Grüße,

hexe

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Hallo,

ich denke, Ihre Frage ist sehr schwierig zu beantworten. In der Wirtschaftswissenschaft kann man sich dann immer mit einem "Das kommt darauf an" rausreden.

Unser Sohn war auch schon immer Papa-fixiert, wobei ich (kraft eigener Arroganz) aber der strengere und konsequentere von uns beiden bin. Bei uns ist es eher meine Frau, die sich leichter von seinem Charme um die Finger wickeln lässt. Das ist aber nichts verwerfliches; ganz im Gegenteil.

Ein Kind muss auch lernen, Grenzen, die er bereits kennengelernt hat, überschreiten zu können. Um festzustellen, ob diese Grenzen überhaupt noch existieren - für uns also: Ob diese Grenzen überhaupt noch altersgerecht sind. Die Person, die er leichter um den Finger wickeln kann, ist dafür natürlich prädestiniert. Für seine Entwicklung ist dies ein sehr wichtiger Prozess. Denn Kinder werden so schnell Erwachsen, dass es durchaus vorkommen kann, dass Sie eine Grenze, die Sie vor erst wenigen Wochen gesetzt haben, schon wieder überdenken müssen. Hierbei sollten Sie nur darauf achten, dass Sie und Ihr Mann an einem Strang ziehen. Sonst wird Ihr Sohn natürlich versuchen, Sie gegeneinander auszuspielen. Er wird nämlich spüren, wenn Sie unterschiedlicher Meinung sind.

Je nachdem, wie alt Ihr Sohn ist, und wie bewusst ihm zum einen die Konsequenzen seines neuen Brüderchens/Schwsterchens sind und wie fixiert Sie als Mutter bereits auf das Baby sind, tendiere ich aber zunächst auch einmal eher dazu, dass das seine Motivation ist. Ich kann mir gut Vorstellen, dass der Nachwuchs bei Ihnen Gesprächsthema Nummer eins ist; bei jedem Telefonnat und bei jedem Gang in den Park. Was dann natürlich auch Ihr Sohn mitbekommt. Wodurch sofort sein natürlicher Konkurrenzgedanke geweckt wird. Denn Ihr Sohn wird spüren, dass gerade ein Putsch gestartet wurde und er bald von seinem Thron gestossen wird.

Auch denke ich, dass Ihr Sohn (zumindest subjektiv) mit seinem Vater mehr Spass hat; zumindest aber, nicht gerade weniger als mit Ihnen. Hier würde ich auch versuchen, anzusetzen. Unternehmen Sie was mit Ihrem Sohn alleine; führen Sie eine Mama und Sohn Zeit ein. Eine, wo man keine stundenlangen Gespräche im Park oder am Telefon über den Nachwuchs hält, welche Namen man sich schon ausgedacht hat und wie man das Zimmer gestalten wird. Sondern eine, wo Ihr Sohn einzig und allein im Mittelpunkt steht und wo er (bis zu einem Gewissen Maß natürlich) bestimmen kann, wo es lang geht. Wenn Sie vor einer Situation stehen, dass er etwas ausproprieren möchte, wo Ihr natürlicher Mutterinstinkt aber zunächst einmal sagt: "Lieber nicht", aber es (als Verantwortungsvolle Person) bei genauerer Betrachtung durchaus mal ausnahmsweise erlauben könnten, erlauben Sie es ihm einfach. Ihr Sohn wird Sie dafür lieben.

Ansonsten - auch wenn das jetzt naiv klingen mag, aber: Fragen Sie Ihren Sohn, warum er momentan so auf einen Vater fixiert ist. Solange Ihre Frage freundlich klingt, Sie ihm keinen Vorwurf machen oder Schuldgefühle aufdrücken und Sie ihm gerade bei nichts stören (z.b. wenn Sie ihn abends ins Bett bringen) wird er ihnen auch antworten. Sie können Ihm in so einer Situation alles Fragen, was Sie wollen. Er wird immer aufrichtig sein. Fragen Sie ihn, was es für ihn heißt, plötzlich der größere Bruder zu sein. Fragen Sie ihn, was er meint, was sich für Ihn dadurch alles ändern wird. Fragen Sie ihn nach seinen Ängsten und Hoffnungen und gehen Sie einfach auf ihn ein. Versuchen Sie nicht, ihn all seine Ängste auszureden. Sondern seien Sie aufrichtig und ehrlich zu ihm. Denn genau so, wie Ihr Sohn weiß, dass unter seinem Bett Monster sind; völlig unabhängig davon, wie oft Sie ihm das Gegenteil gesagt haben; wird er auch wissen, dass seine Zeit als Thronherrscher sich dem Ende entgegenneigt.

3

Hallo,

es ist sehr schön, wenn das Kind sich auf den Vater fixiert.

Ich liebe diese Phasen #schein -> mehr Freizeit #huepf

Leider gehen solche Phasen auch vorüber... #rofl

Die Erziehung von Mutter und Vater unterscheidet sich in den meisten Familien - das heißt aber nicht automatisch, dass man gegeneinander arbeitet.

Viele Grüße
Marion

4

hallo,
schenkt man dem kindertherapeuten rüdiger posth glauben, beginnt mit 1 jahr die phase der loslösung aus der primären bindung (i.d.r. die mutter).
klingt so, als würde sich dein kind inmitten dieser extrem wichtigen phase befinden. dass die kinder sich dann stärker einer anderen bezugsperson zuwenden, ist normal und mindestens so wichtig wie die mutter-kind-bindung im 1. lebensjahr. im prinzip kann man nur gratulieren, denn da sich euer sohn so auf ihn stürzt, scheint dein mann als loslösungsvorbild sehr gut geeignet zu sein (zuwendungaktiv, einfühlsam). dass das bei euch vllt. etwas extrem ausfällt, mag an der anstehenden "entthronung" liegen oder tatsächlich an deiner strenge, wobei ich nicht beurteilen kann, ob du tatsächlich so streng bist. ich bin zwar auch für konsequenz, lass meiner tochter aber so viel freiraum wie nur möglich und setze eher wenig grenzen.
gruß

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Hallo,

mach Dir mal keine Gedanken darüber. Das ändert sich auch wieder.
Ich hatte das bei allen drei Kindern. Beim Jüngsten kommt es phasenweise immer noch vor.
Wenn er z.B. mit meinem Mann im Bett liegt, kommen ebenfalls Sprüche wie " Tschüss Mama", "Geh raus, lass uns in Ruhe". "Ich will nur Getränke von Papa."usw.
Ich nehme das nicht übel und bin auch nicht beleidigt, weil ich weiß, dass es auch wieder vorbei geht. Im Grunde genommen kann man sich doch darüber freuen, wenn die Kinder so eine enge und gute Beziehung zum Vater pflegen.

Ich stelle nicht in Frage, ob ich nun strenger, konsequenter oder manchmal schlecht gelaunt bin. Ich weiß, dass ich viel Spaß mit den Kindern habe und das der Alltag ganz harmonisch und gelungen abläuft. Das alles bestätigt mich und dadurch kann ich diese phasenweisen Ausgrenzungen ganz gut ertragen.
Ist ja auch manchmal nicht so ganz unangenehm etwas Zeit für sich zu haben ;-)

Wenn ich meinen Sohn frage, warum er das macht, bekomme ich zur Antwort "Weil der Papa besser ist".
Damit kann ich leben, ich stehe nicht im Wettbewerb mit meinem Mann und weiß, dass sich diese kindliche Aussage auf den einen Moment bezieht und rein gar nichts an unserer Liebe zweifeln läßt.

Einer meiner Zwillinge hängt momentan an mir, wie eine Klette. Ich nehme an, wegen der bevorstehenden Einschulung. Da kommt dann schon manchmal von meiner Seite nach drei Millionen vorgebrachter Anliegen: "Mensch, kannst du nicht einmal zum Papa gehen???"
"Nö, Du kannst das viel besser. Ich will nur Dich."

Verschiedene Lebensabschnitte, erfordern Bezugspersonen mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften. Schön, wenn beide Eltern greifbar sind und das Kind sich aussuchen kann, was es gerade braucht.

L.G.
zwillima

6

Hallo zusammen,

erst mal herzlichen Dank für die verschiedenen sehr interessanten Antworten, dir mir wirklich sehr weiter geholfen haben.

Sicher hat mein Sohn mit Papa größeren Spaß, wenn Papa von der Arbeit nach Hause kommt, steht er im Mittelpunkt und Papa nimmt sich viel Zeit für seinen Sohn, während ich nebenbei noch gefühlte 1.000 andere Sachen erledigen muss. Ich werde mir fest vornehmen, eine feste Mama-Sohn-Zeit zu nehmen.

Aber es freut mich sehr, dass mein Mann auch so gut als "Ablösefigur" bzw als Vorbild zu taugen scheint. Das gibt mir das Gefühl, dass ich meinen Mann zu Recht zum Vater meiner Kinder gemacht habe :-)

Ichdenke schon, dass es im Leben meiner Kinder auch wieder Phasen gibt, in denen Mama vielleicht eher Ansprechpartner oder Bezugsperson ist. Ich möchte meinen Mann und mich nicht als Konkurrenten sehen, lieber als Team. Jeder hat andere Kompetenzen, die zu unterschiedlichen Zeiten für die Kinder wichtig sein können.

ich möchte mich noch einmal bei euch bedanken, dass ihr mir mit euren Antworten geholfen habt, die Dinge wieder aus anderen Blickwinkeln zu sehen.

Viele liebe Grüße

Sakirafer