Pflegekind willkommen heißen

Hier liest man ja immer die schönste Beiträge, wie man Omas, Opas und der Nichte der Nachbarin des Hundes der Schildkröte die Nachricht einer Schwangerschaft überbringt und alle vor Freude heulen.

Wir habt ihr das mit eurem Pflegekind gemacht?
Wir haben noch keinen Kindervorschlag, sind in der Anerkennung. Der große Bruder in Spe freut sich unendlich, muss aber bisher das Geheimnis noch für sich behalten. Wann habt ihr erzählt, dass such eure Familie vergrößern wird? Und wie? Wir werden vermutlich unserem Sohn die Verkündung überlassen mit einem "großer Bruder"-T-Shirt. Aber wann? Wenn die Anerkennung abgeschlossen ist? Wenn uns ein Kind vorgeschlagen wurde? Jetzt, wo wir gerade die Anerkennung machen? Wenn das Kind bei uns einzieht?

Und wenn das Kind eingezogen ist - wie habt ihr es "willkommen" geheißen? Unser Pflegekind wird vermutlich zwischen 2 und 3,5 Jahren sein und unsere Familie ist sehr groß (6 Großeltern, 10 Urgroßeltern, sehr viele Tanten, Onkels, Großtanten, Großonkels...). Bei unserem Sohn haben wir alle das Krankenhaus stürmen lassen, damit wir zuhause den Stress nicht hatten. Dem Baby war es ja eh egal. Bei einem älteren Kind ist das vielleicht etwas überfordernd Wenn es in den ersten Tagen im neuen Zuhause gleich ganz viele neue Menschen kennenlernt? Wie habt ihr das gelöst?

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Hi,

wir haben von Anfang an Familie und Freunde in den Prozess einbezogen - erzählt das wir ein Pflegekind aufnehmen wollen, bald die Schulung machen, jetzt die Anerkennung haben usw.
Wens interessiert hat auf dem laufenden gehalten. Ansonsten bei größeren Familientreffen so alle halbe Jahre tauscht man sich ja über den "neuesten Stand" in den Familien aus.

Der Kindervorschlag, die Anbahung und der Einzug/das kennen lernen waren sehr imtime Prozesse - da habe ich mal ne SMS verschickt oder mit naher Familie (Schwester, Eltern, ...) telefoniert. Aber es halt in unserem Kernfamilien-Rahmen gehalten.

Wenn wir das Gefühl hatten "jetzt gehört das PK zu uns" - so nach ein paar Wochen (muss man halt immer auch gucken, wie "sicher" das ganze ist - ob die Eltern doch nochmal chancen bekommen und die Möglichkeit besteht, dass PK wieder zur Familie zurück geht - naja, die Möglichkeit besteht leider fast immer - aber in den ersten Wochen bekommt man schon in etwa ein Gefühl dafür wie "sicher" das ganze jetzt ist und wie die Haltung des Jugendamtes ist)

dann haben wir es "offiziell" gemacht.
In unserer Familie ist es üblich bei der Geburt Geburtskarten zu verschicken an alle (nah und fern) Familie und Freunde.
Das haben wir auch bei PK gemacht als wir wie gesagt das Gefühl hatten "jetzt gehört es zur Familie und geht auch nicht mehr". So wurde PK quasi bekannt gemacht und dann auch von vielen Familienmitgliedern (mit einem Geschenk, einem Brief, etwas Geld - wie zur Geburt auch - willkommen geheißen.)

Es gab keine genauen Zeitpunkt "jetzt bist du großer Bruder/Schwester" - natürlich ist das erstmal eine Bezeichnung - unabhängig davon wie man zum Geschwisterkind steht - aber für mich ist das vor allem ein Gefühl - eine Geschwisterbeziehung muss sich erst entwickeln und besteht nicht von Tag 1.
Ihr seid auch nicht von heut auf morgen wirklich "Mama und Papa".
Gebt euch und dem Kind Zeit - euer Gefühl entscheidet wann es soweit ist und nicht ein Datum (der Tag des Einzuges o.ä.)

Deswegen würde ich auch jetzt schon darüber reden. Mich austasuchen.
Auch den großen Bruder reden lassen und seine Vorfreude, Ideen - vielleicht auch Ängste - mit der Familie teilen.
ich hätte sorge, dass sich zu viel Erwartung, zu viel "vorfreude" anstaut und dann am tag des Einzugs/Kennen lernens entlädt - und plötzlich ist nicht so wie erwartet und dieses neue Familienmitglied ist so ganz anders, als man es sich vorgestellt hat.
Auch nahe stehender Familie würde ich Zeit geben sich auf den Famileizuwachs vorzubereiten (Oma und Opa sagt man ja auch nicht erst 3 Tage vorher dass sie Großeltern werden ^^)

Besuche haben wir spontan gemacht - so wie es für uns üblich ist (so viel Familientreffen und ständig Besuche haben wir generell nicht) und wie es fürs PK machbar/vertretbar war.
Auch da bekomt man ja ein Gefühl für wenn man eine Weile zusammen lebt - was ist zu viel, was ist schön. usw.
Wenns üblich ist 1x die Woche uOma und Opa Tag zu haben, würde ich das z.B. beibehalten.

Vielleicht kennt ihr es schon - empfehlen möchte ich trotzdem das Buch "wir haben gute Gründe".
Ich bin u.a. auch Bereitschaftspflegemutter und wir nehmen mitunter auch mal ein aktuelles Gastkind mit zu Familienfeiern.
Da nehmen wir das Buch immer mal mit. Manche Verhaltensweise sind bei PKs nun mal "anders" - komisch - sie ecken an oder verursachen beim Gegenüber Stirnrunzeln. Vor allem wenn andere Menschen gar keinen Kontakt zu Kindern mit einem "Rucksack" haben. Das meint auch niemand böse. Aber niemand ist frei von Vorurteilen und "Schubladendenken" - ich auch nicht.
Viele aus meiner Familie findes es immer wieder spannend in dem Buch zu blättern, haben dadurch eine andere Sichtweise, können Verhalten anders einordnen, haben viel mehr Verständnis für manche Besonderheiten (mit 5 noch Schnuller? mit 2 alle fremden Menschen umarmen und küssen?)

Mein PK hat auch als Teenager noch sehr viel Körperkontakt gesucht.
Uns ständig gekuschelt, angefasst, berührt, sich angelehnt usw. - es brauchte das weil es da ersten Lebensjahre viel zu wenig Berührung, Bestätigung bekommen hat - da spürt es bis heute ein Defizit und dieses Bedürfnis musste lange lange "nachgenährt" werden. Für Aussenstehende sehr befremndlich.

Achso - und für Gastkinder die älter sind (also keine Säuglinge mehr)
bereite ich alles vor, dass sie sich möglichst "zugehörig" fühlen.
An ihre Zimmertür kommt ein Schild mit ihrem Namen - auf Kinderhöhe. (da mag der große Bruder bestimmt mit basteln ^^)
In der Garderobe haben sie einen eigenen Platz für ihre Jacke und ihre Schuhe - auf Kinderhöhe.
Es gibt einen leeren Schrank den sie befüllen mit ihren Sachen. - auf Kinderhöhe.

Ein kleines freies Spielzeugregal.
Mit entweder schon ein paar Sachen drinne, oder wo Platz für die Schätze ist die das Kind von wo auch immer mit bringt.
Meiner Erfahrung nach ist Besitz/Eigentum sehr wichtig für viele PKs - das wissen auch unsere älteren Kinder, dass es nicht böse gemeint ist wenn der Kleine/die Kleinen nicht teilen mochten. Teilen und Abwechseln unter Geschwistern habe ich bei PKs nicht forciert. Sondern geschaut, dass es Dinge für alle gab (Spielsachen, Geschirr, Fahrzeuge, ...) - aber dass das "wirkliche" Eigentum des jeweils anderen unbedingt respektiert werden muss) - und dass auch so der Familie gesagt wenn sie Geschenke machten. Manchmal schaut man ja bei mehreren Kindern schon danach dass man dem einen etwas schenkt, womit die ganze Familie spielen kann. Bei uns gab es dann ausdrücklich "Familiengeschenke" - oder eben nur "Kind X - Geschenke".

Der Treppenhochstuhl und die Fußbank werden hoch geholt und aufgebaut damit sie überall selbständig rankommen.
Die Trinkstation wir aufgebaut damit sie sich alleine trinken eingießen können ohne fragen zu müssen. (bei Kindern ab ~3)

Und, auch wichtig - einen Ort wo das "alte Leben" Platz hat.
Ein Foto von den Eltern, einen Ordner mit Bildern aus der Wohngruppe, das liebste Kuscheltier was es von der Pflegestelle geschenkt bekommen hat ... - frei zugänglich fürs Kind.
ich forciere die Auseinandersetzung mit der Herkunftsfamilie/Vergangenheit nicht wenn es nicht "nötig" ist - möchte dem Kind aber das Gefühl geben "deine Geschichte, deine Vergangenheit sind hier genauso willkommen wie du!"

Alles Gute euch und eine tolle kenn lern Zeit! =)

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Vielen , vielen Dank für diese tolle Antwort ❤ ich habe ganz viele wertvolle Impulse mitnehmen können. Darf ich fragen, wie eure Familie jetzt aussieht? Also ein leibliches Kind, ein Pflegekind und dazu noch Bereitschaftspflege?

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Hallo,

wir haben erst bei Beginn der Anbahnung unsere Familie informiert, allerdings wohnen diese auch weiter weg und wir stehen nicht täglich oder wöchentlich im Kontakt. Lediglich mit meiner Schwester habe ich mich immer ausgetauscht, diese hat selber drei Pflegekinder.

Unsere Anbahnung lief völlig anders als geplant, daher blieb die Kleine schon nach einer Woche komplett bei uns. Wir hatten damals schon zwei leibliche ältere Kinder (6 und 11). Unser Leben lief dadurch auch fast normal weiter, allerdings habe ich schon darauf geachtet, dass wir als Familie unter uns zuhause bleiben, damit die Kleine (damals knapp über 2 Jahre) auch gut ankommen kann und zur Ruhe kommen konnte.

Wann meine Kinder unseren Familienzuwachs als Schwester bezeichnen haben wir ihnen überlassen. Der Kleine hat dies ab dem ersten Tag empfunden, beim Großen dauerte es etwas länger. Das Gefühl "das ist unser Kind" hatte ich am 2. Tag der Anbahnung, als die Maus sich beim Spazierendrehen umdrehte und mich anschaute. Da flog der Funke und mein Herz lief über vor Liebe.

Mittlerweile sind die Kinder 18 und 13, die große PT ist 9. Nach ein paar Jahren Bereitschaftspflege haben wir vor 2 Jahren noch ein kleines Mädchen dazubekommen (jetzt 3) und ich liebe unser Leben.

Ich würde gar nicht viel planen. Es kommt meistens anders, als man denkt. Ich würde mich in den ersten Wochen auf die Kernfamilie konzentrieren, damit man sich in Ruhe kennenlernen kann und zur Ruhe kommt. Die ersten Wochen sind für alle anstrengend genug. Alles muss sich neu finden.

Für Euer zukünftiges Pflegekind wird die Welt Kopf stehen. Es verliert wieder Bezugspersonen, muss sich in einer neuen Umgebung neu orientieren. Muss Vertrauen aufbauen und Sicherheit finden, das kostet sehr viel Energie und Kraft. Und Zeit.

Liebe Grüße
Delenn