Vater Depression - Erfahrungen

Hallo,

Achtung, langer Text(!)

Vorab ein kurzer einblick in mein Leben:
Ich M27 wurde mit meiner langjährigen Partnerin W27 im Februar 2022 erstmalig Vater einer Tochter.
Ein Wunschkind für welches wir uns beide vorab viele- und lange Gedanken gemacht haben.
Auch stehen wir beide schon lange, fest im Berufsleben, haben eine schöne große Wohnung und eine tolle Familie mit vielen Omas und Opas welche uns alle Unterstützen!

Es klingt so perfekt, es könnte so schön sein....

Die Schwangerschaft ist absolut schön für uns beide verlaufen, es gab keine emotionalen streitigkeiten o.Ä, es wurde auf den Partner achtgegeben.

Auch die Geburt ist innerhalb weniger Stunden natürlich verlaufen und war lt. meiner Freundin eine Traumgeburt...

Bis jetzt noch alles traumhaft schön....

Nach der entlassung aus dem Krankenhaus waren die ersten Tage auch ok... ich selber merkte zu dem Zeitpunkt nur bedingt das etwas nicht stimmt.... Gedankenrasen und Müdigkeit waren ab dem Tag tägliche normalität.....

Ich machte auch den Fehler in den ersten Wochen ALLES zu hinterfragen und zu Googeln...  jedes Baby/Kinderproblem wurde von mir Gegoogelt, auch Probleme welche weit in der Zukunft liegen... also Bsp. Koliken, Schlafprobleme, Zahnen, trotzphase, etc.etc.etc....

Ich machte mir um alles Gedanken und steigerte mich da täglich mehr hinein....

Ich merkte aber nach ca. 2-3 Wochen dass etwas grundlegend nicht stimmt... ich bin nicht mehr zur ruhe gekommen, konnte sachen die ich früher gern gemacht habe (Lesen, abends Fernschauen) nicht mehr machen...

Und jetzt kommts -->

Meine Tochter ist ein absolutes Anfängerbaby.... sie lässt sich superschnell beruhigen, man kann sie ablegen und ein paar minuten was machen, sie Schläft seit beginn (sie ist mittlerweile 10 Wochen "alt") von ca. 20:00 - 06:00 und nach einem fläschchen von 06:15-08:30....
Wir waren auch mit ihr schon in einen restaurant essen mit ihr und spazierengehen als auch Autofahren liebt sie...

Daher -> obwohl ich zb. am Abend mit meiner Partnerin fernsehen könnte, mache ich es einfach nicht, sondern lege mich alleine ins dunkle schlafzimmer weil mein Kopf mir einfach keine Ruhe lässt..

Dieses Gedankenkreisen hörte nicht auf und mein innerer "Rettungsanker" war, dass ich nach 1 Monat Väterkarenz wieder arbeiten gehen kann...

Leider merkte ich nach 2 Tagen Arbeiten, dass ich absolut nicht fähig zum arbeiten war.... ich hatte so ein GedankenRASEN, dass ich keine emails schicken konnte und auch keine Konversation mit den Kollegen führen konnte....

Also war Arbeiten für mich nicht möglich und riss mich in ein Loch... ich fühlte mich wie ein Gefangener und (!) bereute es Vater geworden zu sein....
Nie hatte ich so viel geweint wie in diesen Tagen und Wochen....

Verlustängste, Suizidgedanken, Körperlicher verfall (-10kg. Abgenommen, Tagelang keine Körperhygiene, nicht aus dem Bett rauskommen)

Ich suchte mir also professionelle Hilfe und habe eine Psychotherapeutin gefunden, bei welcher ich bereits mehrmals war und eine Psychiaterin welche mir Antidepressiva verschrieben hat. (Aktuell nehme ich 10mg. Escitalopram 1x tägl.)

In der letzten Woche konnte ich auch wieder arbeiten gehen, was mir gefühlt auch guttut (weniger Zeit zuhause, ablenkung)...sobald es an den Heimweg geht kommen allerdings sofort wieder alle Gedanken, Herzrasen unwohlsein

An manchen Tagen komme ich nach hause und weine.... esse eine kleinigkeit und gehe schlafen...

Meine Partnerin will mich unterstützen, sie übernimmt derzeit die kleine komplett und hat durch ausreichend Schlaf (zum glück) noch ausreichend energie.

Aktuell bin ich in Behandlung ca. 1xWoche
nehme Antidepressiva und hoffe immer auf den nächsten Tag.... es gibt so Tage die ganz Ok sind.... Tage an denen die Gedanken nicht so laut sind und man etwas ruhe hat und die Dinge rational betrachten kann.... ich hoffe in Zukunft werden diese Tage mehr bzw. zur normalität....

Sorry den langen Text...
Vielleicht wollte ich mir das nur von der Seele schreiben, ich war nie- und auch niemand den ich kenne, von einer depression betroffen....

Vielleicht gibt es ja noch andere Väter hier, die ganz ähnliches durchgemacht haben und mir ihre Erlebnisse schildern können und ob sich ihr Leben bzw. Ihr Alltag irgendwann wieder zum guten gewendet hat.

Lg

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Ich kann dir zwar nicht konkret mit eigenen Erfahrungen dieser Art helfen, finde es aber toll, dass du über deine Depressionen sprichst, Austausch darüber suchst und dir Hilfe gesucht hast.

Vor ein paar Jahren war ich auch in eine Depression gerutscht. Auslöser war der Tod meiner Mutter gewesen. Mir hat Escitalopram gut geholfen, um meinen Alltag wieder meistern zu können.

In deinem Fall ist es sehr gut, dass du auch psychotherapeutische Hilfe gefunden hast, um über deine Ängste und Gedanken sprechen zu können.

Ich hoffe sehr, dass es im Moment nur die neue Situation und die damit einhergehenden Sorgen und die Verantwortung sind, die die Depression ausgellst haben, und dass du bald damit umzugehen lernst. Denk daran, dass du die Verantwortung nicht alleine trägst und du die Unterstützung deiner Partnerin hast. Du bist nicht alleine!

So platt das vielleicht klingen mag, aber vielleicht hilft dir auch, mit deiner Tochter zu kuscheln. Dadurch werden Hirmone freigesetzt, die du gerade in deiner Depression dringend benötigst.

Ich wünsche dir und deiner kleinen Familie alles Gute!

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Und kannst du inzwischen für dich konkretisieren, WAS genau "es" ist? Was löst dein Gedankenkarrussel aus? Woher kommen die Ängste?

Du bist aber auf einem guten Weg und gehst toll damit um, finde ich 👍🍀

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Was "Es" ist lässt sich schwer sagen... ich würde sagen eine mischung aus Angst, Wehmut, Überforderung.... sich mit der aktuellen Lage nicht abfinden können...

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Und wie kommt das Gefühl zustande, sich mit der aktuellen Lage "abfinden" zu müssen? Was macht die Lage für dich negativ?

Wenn meine Fragen nerven, sag Bescheid. Ich finde es persönlich in Sackgassensituationen immer hilfreich, wenn mir jemand dazu Fragen stellt...

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Hallo,

meinem Vater ging es nach meiner Geburt genau so wie dir, er hat Depressionen bekommen. Er sagte später dann, es hatte damit zu tun, dass durch meine Geburt und Babyzeit bei ihm so viele unbewusste Erinnerungen an seine eigene Babyzeit und Kindheit wach wurden und an all das, was er nicht bekommen hatte (er hatte keine sehr liebevolle Kindheit). Er hat es aber dann geschafft, mit Unterstützung, die Depression zu überwinden, und er wurde ein sehr, sehr toller Papa. Meine Eltern haben dann sogar später noch zwei weitere Kinder bekommen.

Das ist etwas, was ich dir hier gerne mitgeben möchte: gerade Menschen, die psychisch sensibel sind, haben oft, wenn sie es schaffen, daran zu wachsen, ein Potential für eine ganz besondere Tiefe. Das kann für andere, auch für ihre Kinder, sehr bereichernd sein. Mein Papa hat mir unendlich viel mitgegeben an Liebe, Werten, Mitgefühl und Reflexion und dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Und, was ich dir auch noch sagen möchte: die Depression redet einem gerne Sachen ein, die nicht stimmen. Dass man kein guter Elternteil ist oder dass die Familie besser dran wäre ohne einen oder solchen Mist. Falls deine Depression das auch tut: glaub ihr nicht! Es ist nicht wahr.

Alles Gute für die Verarbeitung und du kannst mir gerne auch privat schreiben, wenn du noch mehr darüber wissen möchtest, wie das bei uns so war.

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Hallo, danke für deine ausführliche Antwort, dass dein Vater sich dann für zwei weitere Kinder entschieden hat, zeigt wie glücklich er mit seinen ersten Kind war...